„Wir alle, die hier stehen, tragen keine Schuld, aber Verantwortung. Wir müssen darauf achten, dass so etwas nie wieder geschieht“, sagte Lehrerin Martina Stettner in der Kreuzgasse 7, wo fünf Stolpersteine an jüdische Opfer des Nazi-Terrors erinnern. Bezugnehmend auf das Kinderbuch „Hanas Koffer“ von Karen Levine, das die Klasse 6F2 der Johann-Textor-Schule im Deutschunterricht behandelt hatte, schlug die Deutschlehrerin Martina Langenbach den Bogen zu den Schicksalen der jüdischen Familien aus Haiger.
„Ich habe noch nie erlebt, dass Schüler so engagiert dabei waren. Und das, weil das Buch von einer wahren Geschichte handelt“, erklärte Langenbach. Die Kinder waren sich sofort einig, dass sie während ihrer Wanderwoche die „Stolpersteine“ besuchen und reinigen möchten. Begleitend dazu erzählte Martina Stettner die Geschichte der jüdischen Familien.
Der Tatsachen-Roman „Hanas Koffer: die Geschichte der Hana Brady“ behandelt das Schicksal des jüdischen Mädchens Hana, das den Holocaust nicht überlebte. Deutschlehrerin Martina Langenbach und Studentin Angelina Bäcker behandelten das Kinderbuch mit den Schülerinnen und Schülern der Klasse 6F2 und achteten dabei auf eine altersgerechte Vermittlung der Inhalte. Die Kinder schrieben beispielsweise einen Tagebucheintrag aus Sicht von Hana Brady und setzten sich dadurch empathisch mit der Situation der Protagonistin auseinander. „Für uns war die Sensibilisierung wichtig“, betonte Martina Langenbach und berichtete von dem großen Interesse der Schüler an dem Unterrichtsinhalt. Die Tatsache, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt, habe Aufmerksamkeit geschaffen.
Zehn Stolpersteine und eine zentrale Botschaft
Im Anschluss an die Lektüre stellte die Deutschlehrerin die Parallelen zwischen Hanas Geschichte und den Schicksalen der jüdischen Familien aus Haiger her. Die 24 Schüler entschieden sich, die Stolpersteine in Haiger zu besuchen und zu polieren. „Wir putzen die Stolpersteine als Andenken an die Menschen, die damals gestorben sind, obwohl sie nichts dafür konnten. Zu ihrem Gedenken“, sagte Al Hassan aus der Klasse 6F2 zu Beginn. Während die Stolpersteine poliert wurden, hielten Klassenkameraden Fotos der jüdischen Familien hoch und Martina Stettner berichtete von deren Lebensgeschichte. Sie erinnerte an Hugo Hirsch mit Familie und Bruder Willi (Kreuzgasse 7), Irma Strauß und ihre Tante Jettchen Bornheim (Hauptstraße 25), Isaak, Gertrud und Norbert Löwenstein (Johann-Textor-Straße 5), Selma Hirsch und Geschwister (Frigghof 5). Bei ihrer Ansprache hob Martina Stettner hervor, dass ein jeder darauf achten müsse, dass sich die Geschichte nicht wiederhole. Zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nazi-Terrors legten die Schüler neben den frisch polierten Stolpersteinen zusätzlich weiße Rosen nieder. „Es war spannend und gut erzählt“, sagte Schüler Tuna rückblickend über den geschichtlichen Input. Auch Mert schloss sich dem an: „Ich fand die letzte Station (Frigghof 5) am spannendsten, denn es hat sich ein bisschen wie Hanas Koffer angehört.“ Auch Martina Stettner aus dem Bereich Gesellschaftslehre und Geschichte zeigte sich dankbar für das Interesse der Kinder und die Möglichkeit, ihnen das Thema vorstellen zu dürfen. Sie setzt sich bereits viele Jahre mit den Geschichten der Haigerer Juden auseinander und veröffentlichte 1996 mit einer zehnten Realschulklasse eine Broschüre namens „Das Schicksal der Haigerer Juden“, in der erstmalig deren Geschichte aufgearbeitet wurde. „Unsere Aufgabe als Lehrer ist es, das Thema an die Schülerinnen und Schüler heranzutragen“, sagte MArtina Stettner.
- © Lea Siebelist
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