Evangelische Kirche

10. Evangelische Kirche

Die Kirche ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Gegend. 

Es ist wahrscheinlich, dass ihr Ursprung auf der Überbauung eines vorchristlichen Heiligtums beruht.1977 wurde bei Restaurierungsarbeiten unter dem Fußboden der Sakristei ein flachrunder, vom Wasser geschliffener Findling von gewaltiger Größe und einer damals nicht bestimmten Gesteinsart gefunden. Man hat festgestellt, dass der Turm der älteste, wahrscheinlich im Mauerwerk nicht veränderte Teil der Kirche ist und die ursprüngliche Kirche in einer Holzkonstruktion mit massiven Außenmauern angebaut war. Aufgrund der ungewöhnlichen Form der Eingangstür datiert man den Turm in die karolingische Zeit um 800 n. Chr. Er hat wohl zuerst als Wehr- und Fluchtturm gedient, worauf heute noch die Schießscharten (Lichtschlitze) hinweisen.

In der Schenkungsurkunde aus dem Jahr 914 von König Conrad wird eine „ecclesia baptismalis“, eine Taufkirche in Haiger erwähnt. Sie besaß Grundbesitz und Steuereinnahmen und war Hauptkirche eines großen Sprengels. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Kirche schon in der 1. Hälfte des 8. Jh. gegründet wurde und am selben Platz wie heute stand. 

1048 Einweihung der Kirche im romanischen Stil, Erhöhung des Turmes, Hinweis auf romanische Fensteröffnungen.

Um 1460 – 1500 Anbau der Seitenschiffe und des Chorraums im spätgotischen Stil, Entstehung der Gewölbedecke, Ausmalung der Kirche mit den Fresken im Auftrag von Hermann und Jost von Haiger. Sie sind vermutlich auf den Fresken abgebildet, ihr Wappen (gelbe Seerosen auf rotem Grund) ist zweimal in der Kirche zu finden.

1537 wird in Haiger die Heilige Messe abgeschafft und die Kirche lutherisch. Der Marienaltar wird entfernt.
Die Fresken werden übermalt. Das geschieht vermutlich um 1588, nachdem der reformierte Glaube 1578 eingeführt wurde. Nach der Übermalung geraten sie in Vergessenheit.

1723 beim Brand wird die Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen. Kanzel und Orgel werden im Barockstil erneuert. Zunächst war die Orgel hinter der Kanzel im Altarraum, der Blasebalg wurde vom Raum über der Sakristei aus bedient. Im Zuge der Industrialisierung wurden die Emporen mit ihren gusseisernen Säulen eingebaut.

Um 1900 erhält die Kirche eine Heizung, die Krypta wird als Kohlenlager genutzt. Deswegen wurden die dort ruhenden Gebeine umgebettet und die Papiere, die sich dort befanden, in zwei vollen Ochsenkarren zur Papiermühle gefahren.

Um 1900 bröckelt der Putz, 1902 kamen neben der Sakristei Bildteile zum Vorschein.  Dem Bemühen des Haigerer Kaufmanns Gustav Voigtmann ist es zu verdanken, dass die Fresken im Chorraum freigelegt wurden.

1974 wurde bei Renovierungsarbeiten die Christophorus-Figur an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs entdeckt und freigelegt.

Die verheerenden Brände der jüngsten Zeit, nämlich die von 1623, 1723 und 1827 legten die Stadt teils ganz, teils zur Hälfte in Schutt und Asche, so dass – außer der Ev. Kirche – kein Bauwerk älter ist als 1723. Auch die Kirchenbücher reichen nicht weiter zurück.

Der Kirchhügel
Die 1837 auf dem Kirchhügel niedergelegte mittelalterliche Stadtmauer verlief quer durch das heutige Gemeindehaus bergabwärts zum Obertorhaus. Ihr Verlauf wurde durch Grabungsergebnisse gesichert, genauso wie ein frühkarolingischer Befestigungsgraben. Alle unmittelbar um das Kirchengebäude liegenden Flächen dienten über Jahrhunderte als Begräbnisstätten. Die westlich dem Kirchturm gegenüberliegende niedrige Bruchsteinmauer wurde erst nach 1840 gebaut. Von ihr aus bis zur Westerwaldstraße richtete man einen neuen Friedhof ein, der jedoch nur bis 1882 belegt wurde. 1929 ließ die Stadt den „Alten Friedhof“ durch Pflichtstunden ableistende Arbeitslose einebnen, um einen Park anzulegen. Im Laufe der Arbeiten ergab sich ein Grundstückstausch: Die Pfarrwiesen (heutiger Paradeplatz) gegen den städtischen Alten Friedhof. Erwähnenswert ist, dass während des Krieges ein vom Marktplatz beginnender und beim Obertor endender Luftschutzstollen gebaut wurde, der nach dem Krieg wieder verfüllt wurde. 

Das nächste Schild befindet sich bei der Kirchtreppe auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche am Haus Hauptstraße 53 (schmaler Weg zur Oberstadt).

Mehr Infos:
950 Jahre Stadtkirche Haiger
Martin Bräuer, Evang. Kirchengemeinde, Haiger [1998]

Zeugnis christlichen Glaubens in 950 Jahren
Geschichtlicher Arbeitskreis Haiger und sein Raum e. V., 1998 

Bildersymbolik der Fresken
Haigerer Geschichtsblätter Bd.54

Das Bildwerk der Haigerer Stadtkirche
Dr. h. c. Löber, Haigerer Hefte Band IV

Aus: Löber, Haiger und sein Raum, Festschrift zum 900. Jahrestag der Haigerer Kirchweihe