Grünes Becken Sechshelden: Jetzt entscheidet die EU in Brüssel


Vor fast genau zwei Jahren hat die Stadt Haiger die Antragsunterlagen zum Bau eines Hochwasser-Rückhaltebeckens am Ortsrand von Sechshelden an das Regierungspräsidium in Gießen übergeben. Kürzlich fand ein weiterer Besprechungstermin mit dem  RP Gießen statt, an dem auch die Obere Wasserbehörde und Obere Naturschutzbehörde und Mitarbeiter des für die Stadt tätigen Planungsbüros teilnahmen. „Jetzt geht es in die finale Planung des grünen Beckens“, berichtete anschließend Bürgermeister Mario Schramm. Der RP muss nun alle Plan- und Genehmigungsunterlagen prüffähig vorlegen und diese bei der Europäischen Union einreichen. Die EU muss dann das große Projekt in der Gemarkung „In Kuhmarschwies“ und „Vor Kuhmarschwies“  im Bezug auf die naturschutzrechtlichen Befreiungen vom FFH-Gebiet genehmigen.

Aktuell geht es um das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren, die bautechnische Genehmigung und die naturschutzrechtliche Genehmigung, da es sich um einen Eingriff in Natur und Landschaft handelt. Größter „Knackpunkt“ ist die FFH-Gebietsausweisung durch die EU – der vorgesehene Bereich ist ein „hochsensibler Schutzbereich“. „Wir haben umfangreich sondiert, aber der Damm kann definitiv nur an diese Stelle gebaut werden“, berichtete Bürgermeister Schramm. Die Fläche genieße den allerhöchsten naturschutzrechtlichen Schutz, sei aber alternativlos.

Magistrat sieht gute Chancen für „Befreiungen“ durch die EU

Jetzt müsse man zusammen mit dem Regierungspräsidium  Gießen und dem städtischen Planungsbüro Lösungen darlegen, wie dieser Eingriff in Natur und Landschaft insgesamt ausgeglichen werden könne. Es müsse eine so genannte Kompensation erfolgen.

Nach Vorlage der Planunterlagen in Brüssel müsse die EU die Befreiungen, das FFH-Gebiet („Flora, Fauna, Habitat“) betreffend, erteilen. „Wenn die Genehmigungsfähigkeit in Gießen festgestellt ist, dann ist aus unserer Sicht auch ein Erfolg des Verfahrens in Aussicht“, gibt sich der Rathaus-Chef zuversichtlich. Es habe in den vergangenen Jahren diverse rechtliche Änderungen gegeben, was das Projekt etwas verzögert habe. Aber der RP sehe gute Chancen, das „Grüne Becken“ in Brüssel vorstellen zu können und die Genehmigung von der EU zu bekommen, dass das FFH-Gebiet mit der Hochwasserschutzanlage bebaut werden darf. 

Bauerlaubnis wird für 2023 erhofft 

Die Fachabteilungen des RP Gießen gehen derzeit davon aus, dass Mitte des Jahres 2023 die Genehmigung von Brüssel kommen könnte. Die Antragstellung sei extrem komplex, meinte Schramm, und sei nicht mit anderen Hochwasserschutzmaßnahmen in der Region zu vergleichen. Dennoch sei ein Ende des Tunnels sichtbar. „Wir hoffen, dass 2023 die endgültige Erlaubnis für den Bau in diesem hochsensiblen Bereich kommt.“ Ein rechtssicherer Beschluss komme erst, „wenn alles überprüft ist, was Recht und Gesetz betrifft“. 

HINTERGRUND

haiger (öah/rst) – Die Stadt Haiger plant in Sechshelden in der Gemarkung „In Kuhmarschwies“ und „Vor Kuhmarschwies“ ein rund 69.000 Kubikmeter Wasser fassendes „Grünes Becken“. Die Bausumme dürfte bei etwa 3,3 Millionen Euro liegen, wobei mit hohen Zuschüssen – unter anderem vom Land Hessen – gerechnet wird. Ziel aller Maßnahmen ist es, ein so genanntes 100-jährliches Hochwasserereignis zu verhindern. Hintergrund der Planungen war ein extremes „Niederschlags-Abfluss-Ereignis“, wie es die Experten nennen, vor einigen Jahren im kompletten oberen Lahn-Dill-Kreis. Dabei war der Haigerer Stadtteil Sechshelden in großem Ausmaß betroffen, viele Anlieger wurden Opfer des Jahrhundert-Hochwassers. Daraufhin beauftragte die Stadt Haiger ein Planungsbüro damit, die Hochwassersituation am Hengstbach zu beleuchten und ein Hochwasserschutzkonzept für Sechshelden  in diesem   Bereich zu erarbeiten.

Dammhöhe soll bei 7,30 Metern liegen

Das Rückhaltebecken am Rand der Kreisstraße 49 ist etwa 200 Meter von der Ortsbebauung entfernt. Die Flächen werden derzeit als Dauergrünland und Ackerflächen genutzt. Sie befinden sich im FFH-Gebiet „Krombachswiesen und Struth bei Sechshelden“.

Der Damm wird 150 Meter lang und bis  zu 7,30 Meter hoch

Der Erddamm soll mit einem Durchlassbauwerk als offenes Trogbauwerk errichtet werden. Die Dammhöhe würde bei 7,30 Metern liegen, der Damm etwa 150 Meter lang werden. Geplant ist ein „komplett überströmbarer Damm“, der sich aufgrund der geplanten naturnahen Oberflächengestaltung (Dammböschung mit Oberbodenandeckung und Grasnarbe, wasserseitige Pflegewege aus Schotterrasen) sehr gut in das vorhandene Landschaftsbild einfügen soll. „Die bergige Struktur lässt den Damm eher als natürliche Erhebung als ein künstliches Bauwerk erscheinen“, heißt es in den Antragsunterlagen.

Bauwerk soll sich in das Landschaftsbild einfügen

In den vergangenen Jahren haben umfangreiche Vermessungen, Kartierungen, Untersuchungen der Naturschutz- und Landschaftsplanung, Überprüfungen schützenswerter Objekte, hydraulische Berechnungen und geotechnische Sondierungen in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Gießen stattgefunden. Zudem fanden eine Gewässerstrukturkartierung sowie eine Grünland-Kartierung und eine Erhebung der invasiven Arten entlang des Kuh- und Hengstbaches statt.