„Mit einem Pfeifen zur Arbeit gehen“


„Früher hat meine Stimmung ständig gewechselt. Mal war ich depressiv, mal richtig gut drauf“, erinnert sich David Hommel. Der junge Mann aus dem Westerwald ist ein begabter Programmierer und musste in seinem Berufsalltag feststellen, „dass leider nicht alles immer gerade lief“. Als sein Chef Heiko Barthel von der Haigerer Software-Firma Besoplan ihm riet, einen Arzt aufzusuchen, änderte sich das Leben des Software-Entwicklers grundlegend. Der Experte stellte die Aufmerksamkeitsdefizits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) fest. Diese Diagnose war wie eine Befreiung. Hommel nimmt seither Medikamente, kann sich wesentlich besser konzentrieren und geht meistens „mit einem Pfeifen auf die Arbeit“. Rückblickend stellt er fest, „dass durch die Diagnose und die anschließende Behandlung mein ganzes Leben umgekrempelt wurde“.

 Hommels Arbeitgeber, der sich mit mobiler Datenerfassung, Warenwirtschaft und Archivierung befasst, wurde jetzt als Teilhabe-Champion des Monats April ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Auszeichnung für Diversität im Arbeitsleben, die im Lahn-Dill-Kreis monatlich an eine Firma überreicht wird, die Menschen mit einer Beeinträchtigung beschäftigt und sich besonders um diese kümmert.

„Wenn jemand Beeinträchtigungen hat, bedeutet das nicht, dass er nichts kann“ 

„Es geht dabei nicht um ‚schneller, höher, weiter‘, sondern ganz einfach um das (Arbeits)-Leben von Normalität“, sagt Fachberaterin Monika Mundt vom Diakonischen Werk, die Ansprechpartnerin für Arbeitgeber.  Wenn jemand Beeinträchtigungen habe, bedeute das nicht, „dass er nichts kann“.

Die Firma Besoplan habe mit großem Engagement einen Mitarbeiter eingestellt, der aufgrund seiner Beeinträchtigungen zwischendurch immer wieder große Leistungseinbrüche aufgezeigt habe. „Mit viel Eigeninitiative der Geschäftsführung und der Unterstützung von Integrationsfachdienst und Integrationsamt konnte eine Situation geschaffen werden, die es dem Mitarbeiter ermöglicht, in einer guten Umgebung gute Arbeit zu verrichten“, sagte Monika Mundt. Die Auszeichnung „Teilhabechampion“ verfolge das Ziel, „erfolgreiche und positive Beispiele zu zeigen“.

Und ein solches positives Beispiel ist David Hommel auf jeden Fall. „Ich habe schon in der Schule gemerkt, dass ich irgendwie anders bin. Aber erst viel später kamen die Diagnose und die Unterstützung durch Medikamente.“ Seinem Arbeitgeber ist er sehr dankbar.

Martina und Heiko Barthel hätten die Initiative ergriffen, ihn zum Arztbesuch motiviert und letztlich für eine Trendwende seines Lebens gesorgt. „Ich bin begeistert, dass man mit meinen Chefs immer reden kann und eine Lösung gesucht wird“, sagt der junge Mann aus Rehe.

Die Barthels sind überzeugt, dass „David Hommel der richtige Mann am richtigen Ort ist“. Sie waren von Beginn an von den Qualitäten und Fähigkeiten des Westerwälders überzeugt, der in der Firma gut bekannt war. Hommel, heute 27, hatte bei Besoplan in der Rodenbacher Straße seine Ausbildung absolviert, die Firma dann verlassen und war wieder nach Haiger zurückgekehrt.

„Er arbeitet selbstständig und gut“, berichtet Heiko Barthel, dennoch habe es – zum Beispiel aufgrund der schwankenden Gemütsverfassung – immer mal wieder Reibungspunkte gegeben. „Es war ein langer Weg, aber wir sind froh, dass sich alles so gut entwickelt hat“, erklärt der Geschäftsführer: „Durch die Diagnose des Arztes hat sich unser Blickwinkel geändert. Wir wissen jetzt, warum sich unser Kollege manchmal anders verhält als andere. Es ist wichtig, dass beide Seiten miteinander reden und aufeinander zugehen.“

„Es gibt Lösungen“

Das geschah im Falle des Programmierers in vorbildlicher Weise. Nachdem die Diagnose ADHS feststand, wurden David Hommel und die Firma von einem sogenannten Jobcoach besucht, der beiden Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer -  wichtige Tipps geben konnte. Interne Arbeitsumstellungen und unkonventionelle Ideen erwiesen sich als hilfreich. So kann Hommel eine abgeschottete „Arbeits-Box“ nutzen, wenn er ganz in Ruhe ungestört programmieren möchte. „Ich freue mich, dass alles so gelaufen ist. Meine Erkenntnis ist: Es gibt Probleme, aber es gibt auch Lösungen“, fasst Hommel die Situation aus seiner Sicht zusammen.

Das unterstrich Haigers Bürgermeister Mario Schramm, der das Unternehmen für die Bereitschaft lobte, „alle Mitarbeiter gleich zu behandeln und auch mal hinter die Kulissen zu schauen“. „Ihr Beispiel zeigt, dass Kommunikation ganz wichtig ist. Weil Sie offen miteinander geredet haben, konnte einem jungen Menschen eine Perspektive gegeben werden“, lobte der Rathaus-Chef und wünschte David Hommel und der gesamten Firma alles Gute für die Zukunft.

 

INFOKASTEN

Die Verleihung des Zukunftspreises für Diversität im Arbeitsleben – Teilhabe-Champion – erfolgt auf der Grundlage einer Überprüfung und Bewertung der Bemühungen eines Unternehmens in den Bereichen: Vielfaltsförderung, inklusive Unternehmenskultur, Chancengleichheit, innovative Ansätze. Die Jury freut sich über Vorschläge zu Firmen, die sich besonders dem Thema Teilhabe widmen. Kontakt: teilhabechampion@lahn-dill-kreis.de

Der Dank der Organisatoren geht an Unternehmen und Institutionen im Kreis, die ganz selbstverständlich und ohne großes Aufheben Menschen beschäftigen, die eine Schwerbehinderung oder Beeinträchtigung haben und täglich erleben, dass es sich um einen Mehrwert und eine Bereicherung für alle handelt. Der Teilhabe-Champion soll die guten Beispiele hervorheben und weitere Unternehmen zum Nachahmen animieren. Der Preis ehrt Unternehmen, die dazu beitragen, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Menschen, unabhängig der Art oder Schwere ihrer Behinderung oder Beeinträchtigung, gleiche Chancen und Wertschätzung erfahren.

Die ausgezeichneten Unternehmen erhalten eine Urkunde und das Teilhabe-Champion Logo.

In der Jury sind vertreten: die Behindertenbeauftragte des LDK Susanne Eiben, die Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) im LDK (Monika Mundt, Diak. Werk), die Handwerkskammer Wiesbaden, die Wirtschaftsförderung des LDK.